FAQ

Erodierverfahren Funkenerodieren

Was ist Funkenerodieren

Das Funkenerodieren (kurz EDM von engl. electrical discharge machining; auch funkenerosives Bearbeiten, funkenerosives Abtragen (DIN 8580) oder elektroerosives Bearbeiten) ist ein thermisches, abtragendes Fertigungsverfahren für leitfähige Materialien, das auf elektrischen Entladevorgängen (Funken) zwischen einer Elektrode (Werkzeug) und einem leitenden Werkstück beruht.

Bearbeitungsvorgang

Die Bearbeitung findet in einem nichtleitenden Medium, dem sogenannten Dielektrikum (meist Öl oder deionisiertes Wasser), entweder in einem Becken, das mit dem Medium gefüllt ist, oder durch Umspülung des erodierten Bereichs mittels Schläuchen, statt.

Das Elektrodenwerkzeug wird dabei auf einen so schmalen Spalt (0,004–0,5 mm) an das Werkstück herangeführt, bis ein Funken überschlägt, welcher das Material punktförmig aufschmilzt und verdampft. Je nach Intensität, Frequenz, Dauer, Länge, Spaltbreite und Polung der Entladungen entstehen die unterschiedlichen Abtragsergebnisse. Selbst komplizierte geometrische Formen sind herstellbar. Das Elektrodenmaterial wählt man nach dem zu bearbeitenden Werkstoff aus. Kupfer, Messing, Graphit, Kupferlegierungen (meist mit Wolfram) und Hartmetall sind die gängigsten Elektrodenmaterialien.

Man unterscheidet zwischen dem funkenerosiven Bohren (Bohrerodieren), dem funkenerosiven Schneiden (Drahterodieren), bei dem ein Draht die Elektrode bildet, und dem funkenerosiven Senken (Senkerodieren), bei dem die Elektrode als negative Form mit Hilfe einer Funkenerodiermaschine in das Werkstück gerückt wird. Eine weitere Anwendung, die immer mehr Verwendung findet, ist das Scheibenerodieren, wobei eine Kupfer-, Kupfer-Wolfram- oder auch Graphit-Scheibe als rotierende Elektrode dient.

Die Werkzeugelektrode wird normalerweise elektrisch positiv beschaltet[1] und die Funken durch eine schnelle Folge von Impulsen von möglichst konstanter Energie ausgelöst.

Geschichte

Im Jahre 1770 entdeckte der englische Wissenschaftler Joseph Priestley die erodierende Wirkung elektrischer Entladungen.

Sehr viel später, bei der Durchführung von Forschungsarbeiten zur Beseitigung dieses Phänomens an elektrischen Kontakten, kamen die russischen Wissenschaftler B.R. und N.I. Lazarenko auf die Idee, die zerstörende Wirkung elektrischer Entladungen nutzbar zu machen und ein kontrolliertes Verfahren für die Bearbeitung von Metallen zu entwickeln. Im Jahre 1943 erprobten sie ein Verfahren zur Bearbeitung durch Funkenerosion, das so genannt wurde, weil zwischen zwei Stromleitern, die in ein flüssiges Dielektrikum eingetaucht waren, eine Folge von Funken (elektrischen Entladungen) erzeugt wurde. Das Prinzip des damals benutzten Entladungsgenerators, Lazarenko-Kreis genannt, fand lange Zeit beim Bau von Generatoren für Funkenerodiermaschinen Anwendung. In verbesserter Form wird dieser Typ von Generatoren noch heute bei bestimmten Anwendungen eingesetzt. Die spektakuläre Entwicklung der Funkenerosion wurde auch durch den Einsatz anderer Forscher möglich, die dazu beigetragen haben, die grundlegenden Charakteristika dieses Bearbeitungsverfahrens aufzuklären und seine Vorzüge in vollem Umfange zu nutzen.

Die erste Maschine für die Bearbeitung durch Funkenerosion wurde 1955 auf der Europäischen Werkzeugmaschinen-Ausstellung in Mailand vorgestellt. Die erste NC-Drahterodiermaschine wurde 1969 in der Schweiz durch die AG für industrielle Elektronik (AGIE) entwickelt und vorgestellt. Hierdurch wurden die Vorteile der Numerischen Steuerung in Verbindung mit dem funkenerosiven Abtragen vereint. Ebenso war es nicht mehr notwendig eine Elektrode vor der Bearbeitung herzustellen. Heute werden CNC-Erodiermaschinen im Maschinen- und Anlagenbau eingesetzt, da so komplizierte Formen u. a. auch in harten Materialien hergestellt werden können (Schneidstempel, Matrizen).

Einsatzgebiete Senkerosion

Vorteile

  • Dort, wo die mechanische Bearbeitung schwer zerspanbarer Werkstoffe an ihre Grenzen stößt, beginnt das Einsatzgebiet des Senkerodierens (z. B. bei tiefen und schmalen Senkungen oder sehr komplexen Oberflächen).
  • Es können extrem harte Werkstoffe wie gehärteter Stahl, Titan, Hartmetall sowie leitfähige hochfeste Keramiken, welche v. a. in der Luft- und Raumfahrt Verwendung finden, bearbeitet werden.
  • Oberflächenstrukturen mit variabler Rauheit und gratfreien Kanten können hergestellt werden.
  • Mit entsprechendem Aufwand können Oberflächen auch poliererodiert werden.
  • Durch Einsatz eines Koordinatenmessgeräts sowie eines Elektrodenwechslers kann die Autonomie beim Senkerodieren stark verbessert werden.
  • Vor allem bei Gehäuse- Auflage- und Fügeflächen wird es verwendet.

Nachteile

  • Die lange Vorbereitungszeit bei der Elektrodenherstellung. Jede Elektrode muss definiert, konstruiert und gefertigt werden.
  • Der hohe Zeitaufwand beim Einrichten der Maschine. Jede Elektrode muss ausgemessen (Mittenversatz, Drehung, Länge) und deren Messdaten zur Maschine übertragen werden.
  • Beim genauen Arbeiten müssen die erodierten Flächen nachgemessen und gegebenenfalls nacherodiert werden.
  • Durch die langen Bearbeitungszeiten muss der Raum klimatisiert werden. Temperaturschwankungen führen zu Ungenauigkeiten.
  • In der Summe die höchsten Fertigungskosten im Werkzeug- und Formenbau.
  • Die zu bearbeitenden Werkstoffe müssen elektrisch leitfähig sein.
Elektroden-Material

Je nach Verfahren werden unterschiedliche Materialien für die Elektroden verwendet.

  • Bohrerosion: Kupfer- oder Messingröhrchen in verschiedenen Profilen (Ø 0,1 – 6,0 mm)
  • Drahterosion: Messing- oder Kupferdraht, teilweise auch beschichtet (Ø 0,02 – 0,33 mm)
  • Senkerosion: Kupfer- oder Graphitblöcke, die meist mit Hochgeschwindigkeitsfräsverfahren, seltener mit Ultraschallschwingläppen, ihre Form erhalten. Teilweise gibt es auch an den Erodiermaschinen Abrichtvorrichtungen zur Profilierung der Elektrode. Beim Scheibenerodieren ist meistens ein Abrichtdrehmeißel fest montiert, mit dem die Elektrode frei profiliert oder bei starker Abnutzung wieder in Form gebracht werden kann.